Ischen Impossible – Textauszug

– Kapitel 1 –

„Meine Fresse, wie kann man bloß so bescheuert sein? Hat die eigentlich noch alle Latten am Zaun?“

Der besoffene Typ mit den öligen Haaren neben mir am Tresen erweckte zwar den Eindruck, als sei er ebenfalls schon ein paar Mal mit dem Kopf gegen selbigen gelaufen, in der Sache an sich lag er aber völlig richtig: Jawohl, meine Freundin Isi hatte tatsächlich nicht mehr alle Latten am Zaun, die blöde Kuh! Der Typ musste ein Hellseher sein. Oder ein Medium. Bestimmt. Oder er hatte einfach nur sehr genau meiner Geschichte gelauscht, die ich ihm Sekunden zuvor erzählt hatte. Das könnte es natürlich auch sein.

„Und sie hat dich einfach so auf dem Standesamt sitzen lassen?“

„Einfach so.“

Mein neuer Bekannter schüttelte verständnislos den Kopf, kratzte sich seinen ungepflegten Kinnbart und exte einen Schnaps. War wohl nicht sein erster heute, denn die Hälfte des fiesen Gesöffs, das sich der komische Typ da reinpfiff, tropfte nun schön langsam sein Kinn hinunter. Lecker. Ich selbst war allerdings auch nicht viel nüchterner.

„Wie darf ich mir das denn vorstellen? Ihr habt da so am Tisch des Standesbeamten gesessen, habt euch dessen schwülstiges Gelaber reingezogen und plötzlich springt sie auf und rennt heulend aus dem Rathaus?“

„Genauso war es.“

Leider. Ich hatte mir diesen Tag vorher auch ein klein wenig anders vorgestellt.

„Lecko mio! Kein Wunder, dass du so down bist, Alter. Wäre ich wohl auch an deiner Stelle. Wäre ich wohl auch an deiner Stelle.“

Er hatte zwar Recht mit dem, was er sagte, aber warum sagte der Spacko das zweimal? War ich etwa nach meiner Verlobten schon wieder an einen Bekloppten geraten? Offensichtlich ja, denn auf einmal tat er so, als haute er sich den Schädel auf die Theke. In Köln gab es ja nun wahrhaftig viele Durchgeknallte, aber der Tünnes hier lag in dieser Beziehung wirklich sehr weit vorn.

„Mann, muss die Alte scheiße sein. Mann, muss die Alte scheiße sein.“

Aber schon wieder lag er richtig, auch wenn mich seine Reaktion darauf etwas irritierte. Plötzlich stieg der stark angetrunkene Tünnes mit der zersausten Althippiefrisur und dem hochnotpeinlichen T-Shirt mit der Aufschrift „Hoffnungsloser Romantiker sucht geile Schlampe“ schwankend von seinem Hocker auf und kam näher zu mir. Wollte er jetzt etwa meinen Schädel auch auf den Holztresen knallen? Gott sei Dank nicht.

„Ach übrigens: Ich bin Johnny.“

Er reichte mir seine Hand.

„Ja, äh… hi, ich bin Linus. Linus Baumgarten.“

Der komische Zauselfreddy hatte Pranken, damit hätte er eine Giraffe erwürgen können. Ich hatte keine Ahnung, warum er das hätte tun sollen, aber er hätte es gekonnt, wenn er denn gewollt hätte. Die riesigen Pranken passten allerdings nicht ganz zum Rest des Körpers, denn ansonsten war der Typ lang und schlaksig, fast dürr.

„Linus? Mmh, lustiger Name.“

Ich hatte keinen Schimmer, warum der hässliche Sahelzonen-Heiopei meinen wohlklingenden Namen lustig fand, entschied mich aber dazu, dies einfach zu ignorieren. Der Typ war auch schon so voll, nicht, dass er dachte, ich sei eine Giraffe. Man weiß ja nie.

„Sie hat mich einfach beim verdutzen Standesbeamten stehen lassen, natürlich nicht, ohne mich vor ihrem Abgang noch aufs Übelste zu beschimpfen.“

„Echt? Was hat sie denn gesagt?“

„Ach, so nen Scheiß, dass ich sie gar nicht verdient hätte und ein total ignoranter Idiot und so was sei. Keine Ahnung, hab eh nicht richtig zugehört. Ich hab in dem Moment auch überhaupt nicht kapiert, was die dämliche Ziege vorhatte. Plötzlich sprang sie auf und dann: zack und weg.“

Dabei zeichnete ich mit den Händen in etwa ihren Fluchtweg nach, als wenn das irgendeine Bewandtnis gehabt hätte.

„Siehste, Alter, ich hab schon immer gesagt, dass die Ehe Mist ist. Und das ist nun der endgültige Beweis.“

Die Witzfigur namens Johnny nickte sich dabei selbst Recht gebend zu und versuchte, den nächsten Schnaps in seinem Mund zu platzieren. Klappte diesmal besser als zuvor. Ich fand das natürlich total super, dass ausgerechnet ich derjenige sein durfte, der die krude Theorie des besoffenen Möchtegernpsychologen bewies, also gab ich ihm noch einen weiteren Schnaps aus. Und mir selbst auch. Ich war wohl auch schon ziemlich knülle.

Trotz meiner inzwischen drei Promille fühlte ich mich noch immer unfassbar beschissen, das wurde selbst durchs Saufen nicht besser. Von der eigenen angehenden Ehefrau während der Trauung sitzen gelassen! Unfassbar! Gab es auf der Welt etwas Schlimmeres? Oder Peinlicheres?

Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass die Nummer damals, als mich meine Mutter beim Onanieren über einem Bademodenkatalog erwischt und mein Zimmer resignierend den Kopf schüttelnd mit den Worten „Nächsten Sommer fahren wir wohl wieder in die Berge“ verlassen hatte, nicht zu toppen sei, aber Isis Aktion stand dennoch darüber. Das musste ich erst mal verdauen. Was war bloß in Isi gefahren? Oder wer?